Der
War
On Drugs
scheint
gescheitert – die repressiven Strategien haben weder den Handel
eingeschränkt, noch die Zahl der Süchtigen und Todesopfer drastisch
sinken lassen. Doch die Politik hält an der Prohibition fest. Und
damit auch an der ausbleibenden Aufklärung in öffentlichen
Einrichtungen. Während alle Achtklässler*innen fleißig errechnen,
wie viele Lebenssekunden sie pro gerauchter Zigarette verlieren und
lernen, ab dem wievielten Glas genau Alkohol schädlich wird, erklärt
ihnen niemand, worauf sie beim Ziehen von Speed oder Schlucken von
Extasy zu achten haben. Dabei wäre das bitter nötig. Gerade
im Berliner Nachtleben scheint der Drang nach Rausch allgegenwärtig.
Menschen aus aller Welt strömen dafür in die Stadt. An den
Clubtoiletten stehen die Leute nicht nur zum Pinkeln Schlange - und
genau hier haben wir nachgefragt. Vier
Berliner*innen legen für uns ihren Konsum offen.
Was
konsumierst du wie oft und auf welchem Wege?
NILS
(23): Ich
konsumiere durchmischt, aber beschränke mich eigentlich auf nasalen
Konsum. Grundsätzlich ziehe ich nur etwas, wenn ich auch feiern
gehe. Da kommt dann Keta, Speed und manchmal auch Koks in die Nase.
MARIUS
(27): Ich
konsumiere ziemlich viel Verschiedenes. Zum Feiern immer Speed, MDMA,
Ketamin, manchmal Koks. Manchmal bestelle ich mir auch online
Research Chemicals, da probiere ich mich immer mal wieder ein
bisschen aus.
ELENA
(31): Mittlerweile
beschränkt sich mein illegaler Drogenkonsum eigentlich auf
Psychedelika. Da kommt es dann ziemlich auf die Substanz an, wo und
wie ich diese zu mir nehme.
NATASCHA
(20): Zum
Feiern hauptsächlich Alkohol und dazu etwas Speed, das reicht mir.
Außerhalb dessen gerne Benzodiazepame oder Opiate. Das mittlerweile
schon so an durchschnittlich zwei Tagen die Woche. Die habe ich auch
schon auf verschiedene Weisen zu mir genommen.
Laut
dem Epidemiologischen Suchtsurvey 2018 konsumierten im Zeitraum der
zum Befragungszeitpunkt vergangenen 12 Monate deutschlandweit 8,9%
der 18- bis 59-Jährigen zumindest irgendeine illegale Substanz. Was
auf den ersten Blick als eher geringer Anteil daherkommt, kann sich
jedoch in einem anderen Rahmen vollkommen anders anfühlen. Gerade in
Metropolen wie Frankfurt oder Berlin erscheint einem der illegale
Substanzkonsum schnell als eine allgegenwärtige Tatsache.
Geht
man nach dem Drogen- und Suchtbericht der Neuköllner Suchthilfe aus
dem Jahre 2017 haben mit rund 43% knapp die Hälfte der
Berliner*innen bereits einmal illegale Drogen konsumiert.
Die Idee, Drogenkonsum mit Verbot und Strafe zu begegnen konnte
bisher also nicht unbedingt durch ihre Erfolgsquote glänzen und
scheint in der Folge immer unpopulärer zu werden.
Worauf
achtest du beim Konsum, welche Sicherheitsvorkehrungen triffst du?
NILS:
Anfangs
habe ich darauf überhaupt nicht geachtet, einfach weil ich es nicht
besser wusste. Aber seit ich das erste Mal davon
gehört habe, das auch bei der Art und Weise des Drogenkonsums Dinge
zu berücksichtigen gibt,
achte ich da sogar ziemlich akribisch drauf. Dafür ernte ich auch
manchmal belustigte Reaktionen, aber ich denke mir immer: Wer zuletzt
lacht, lacht am längsten. Für mich gilt: Ich teile mein
Ziehröhrchen niemals und ziehe nur durch sauberes Papier oder
Strohhalme, niemals durch einen Schein. Ziehröhrchen teilen ist für
mich in etwa so, wie ein One-Night-Stand ohne Kondom – einfach
ziemlich fahrlässig.
MARIUS:
Wenn
ich ehrlich bin, dann muss ich sagen:
Wenn
ich Drogen nehme, liegt mein Fokus darauf, das Beste aus dem Rausch
herauszuholen. ich achte dann gar nicht so sonderlich viel auf den
Rest. Ich bin da aber auch relativ stabil. Ich hatte nie große
Probleme, ich neige nicht zu Angst oder krassen Abstürzen. Also
zumindest komme ich am Ende immer irgendwie klar, mir musste in der
Vergangenheit eigentlich nie jemand ernsthaft helfen.
ELENA:
Ganz
klar, das Wichtigste sind gerade bei psychedelischen Substanzen die
Umstände, also wie du dich fühlst und wo und mit wem du bist. Das
gilt im Grunde aber für jede Droge. Ich nehme mir außerdem nie vor
zu konsumieren, sondern entscheide mich wenn dann intuitiv und
spontan dafür, wenn ich mich gerade wirklich danach fühle. Das ist
mir ziemlich wichtig.
NATASCHA:
Gerade
der Mischkonsum von Benzos und Opiaten oder der verschiedener Benzos
ist echt gefährlich, weswegen ich mich vorher immer online belese.
Es
scheint sie zu geben, die gesunde Intuition. Ein wichtiger Anfang,
denn: „Es wird immer irgendwas konsumiert werden. Wir leben in der
Sucht- und Konsumgesellschaft, wer das nicht sieht ist blind.“ sagt
Anette Hofmann, Autorin und Pressesprecherin des Vereins eclipse
e.V.. „Also muss es darum gehen, die Selbstwirksamkeit und die
Selbstverantwortung jedes Einzelnen zu schulen, zu lernen „Nein zu
sagen“, wenn ich was nicht möchte und mich vorher zu informieren,
wenn ich was konsumieren möchte.“
Woher
hast du deine Informationen zum sicheren Konsum genommen?
NILS:
Als ich angefangen habe feiern
zu gehen, standen in den Clubs oft Infostände von fixpunkt oder
ähnlichen Vereinen. Die haben immer Infomaterial verteilt, manchmal
auch auf kleine Blöcke mit sauberem Papier zum Ziehen gedruckt.
Tatsächlich habe ich auf genau so einem das erste Mal von Safer
Sniffen gelesen und weiß auch, das es bei mehreren Leuten in meinem
Umfeld so war.
MARIUS: Ich
habe das immer eher intuitiv gemacht. Ehrlich gesagt habe ich mich
nie so bewusst damit auseinandergesetzt, worauf ich speziell achten
sollte, außer natürlich so Basics wie: Immer genug Wasser
trinken.
ELENA: Ich
war schon immer relativ sensibel für meine eigenen Empfindungen und
habe immer viel Wert darauf gelegt nachzuspüren, was ich gerade
brauche. Das war mir immer ein guter Begleiter, auch als ich noch
andere Drogen konsumiert habe. Ich hatte aber auch gute Freunde die
mich ziemlich behutsam und aufklärerisch an jede Substanz
herangeführt haben, oder mit denen ich sie gemeinsam entdeckt habe.
Wir sind da im Freundeskreis gut aufgestellt würde ich sagen.
NATASCHA: Das
Internet ist voller Foren, die Informationen zu wirklich allem
liefern. Da bin ich auch echt froh, ich hätte schon einiges falsch
gemacht, würden sich Konsument*innen nicht online vernetzen und ihre
Erfahrungen teilen. Das ist glaube ich auch meine Hauptquelle, denn
in meinem Umfeld konsumieren gar nicht so viele so wie ich es tue.
Also viel Raum zum persönlichen Austausch habe ich nicht und ich
wüsste nicht, wo sonst ich mich da informieren sollte.
Das
bereits bestehende Angebot scheint bereits Wirkung zu zeigen.
Infostände, Online-Portale und auch die gegenseitige
Wissensweitergabe wurden zumindest von unseren Protagonist*innen in
Anspruch genommen. Ein Angebot, das jedoch selbstständig, pro-aktiv
in Anspruch genommen werden, oder für das sich zumindest in einem
bestimmten Umfeld bewegt werden muss. Schaut man genauer in den
Epidemiologischen Suchtsurvey, zeigt sich: Der höchste Wert liegt
bei den 18-24-Jährigen. Hier hatte ein Viertel der Befragten im
vergangenen Jahr illegale Substanzen konsumiert. Es liegt also nahe,
aufklärerische Maßnahmen möglichst früh anzusetzen.
„Ich
halte Aufklärung an Schulen für wichtig.“ äußert sich Anette
Hoffmann. „Aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, da macht man
sich unglaubwürdig. Sinnvoller wäre es, echte Ex-User einzuladen,
und diese von ihrem Leben erzählen zu lassen.“ Sie ergänzt: „Auch
finde ich Safer-Use-Workshops sinnvoller, als die Gefährlichkeit von
Drogen zu betonen, denn das Drogen gefährlich sind, das wissen die
meisten Schüler*innen schon. Wichtig ist ja, was man tun kann, um
Risiken zu minimieren, wenn man konsumieren will.“
Was
solltest du vielleicht anders machen, worauf solltest du mehr achten?
NILS:
Ich würde mich tatsächlich
als einen ziemlich sauberen Konsumenten bezeichnen. Das war natürlich
nicht immer so, aber mittlerweile habe ich halt schon ein bisschen
mehr Erfahrung und Ahnung und weiß einfach, welche Drogen ich mir wo
hole und worauf ich zu achten habe um mir nichts zu versauen. Wenn
man sich schon Gift zuführt, sollte man es so wenig schädlich wie
möglich tun, finde ich. Wenn ich heute Leute sehe, die ihr Koks
durch einen Geldschein ziehen, finde ich das ehrlich gesagt einfach
nur noch eklig.
MARIUS: Langfristig
den Konsum auf jeden Fall reduzieren. Und auch die Mengen verringern,
ich sollte definitiv meine Toleranz bei einigen Substanzen wieder
etwas absenken. Toleranzpausen sind bei langfristigem Konsum generell
ziemlich wichtig. Sonst zieht man sich irgendwann Mengen rein, die
einfach nicht mehr tragbar sind. Da würde mir meine Nase, Gesundheit
und mein Geldbeutel danken.
ELENA: Das
ist schwierig. Ich bin prinzipiell zufrieden mit meiner Form des
Konsums. Es ist aber schon öfters passiert, dass ich, wenn ich
andere Leute sehe, die auf irgendwelchen Drogen total raus sind,
genervt bin und mich abwende. Prinzipiell wäre es natürlich
richtig, sich allen Menschen zuzuwenden und gerade wenn diese
vielleicht zu viel konsumiert haben, Hilfe anzubieten und nett zu
bleiben, also ein gutes Setting zu schaffen.
NATASCHA:
Ich konsumiere öfters allein
und das ist prinzipiell natürlich nicht so sicher. Ich weiß schon
immer was ich mache und bringe mich, nach meiner Einschätzung, nie
unnötig in Gefahr, aber man weiß natürlich nie.
Grundsätzlich
stützt sich die deutsche Drogenpolitik auf vier Säulen. Die
Prävention, die Beratung und Behandlung, die
Überlebenshilfe und Schadensreduzierung und die Repression.
Lange Zeit stützte sich die staatliche Seite vornehmlich auf
Letztere. Der repressive Ansatz versucht durch Strafandrohung, den
Konsum einzuschränken und das Drogenangebot zu reduzieren. Noch
immer werden Drogenbesitzer*innen in Deutschland pauschal
kriminalisiert.
Als Gegenmodell
dazu, will die sogenannte niederschwellige, akzeptanzorientierte
Drogenarbeit einen möglichst sicheren Rahmen für den ohnehin
gegebenen Konsum schaffen. Eine Form, die in den vergangenen Jahren
immer stärker Gehör findet. Durch präventive und aufklärerische
Maßnahmen, Konsumräume oder das Verteilen sauberer Spritzen und
Ziehmaterialien begleitet man die Menschen, anstatt sie zu
kriminalisieren. Die Idee: Da wir in keiner absehbaren Zeit erreichen
werden, dass wirklich niemand mehr Drogen nimmt, müssen wir den
Menschen zumindest einen möglichst risikoarmen Konsum ermöglichen
und so Schadensminimierung betreiben. Akzeptanz statt Repression.
Getragen wird dieser
Ansatz durch diverse Organisationen und gemeinnützige Projekte. Und
deren Lage scheint sich derzeit zu verbessern.
„Es
fließen durchaus noch zu viele der Gelder in den repressiven Pfeiler
der Drogenpolitik.“ erklärt Ralf Köhlein, Sozialarbeiter des
staatlich geförderten Vereins Fixpunkt e. V.. „Dennoch hat sich
speziell im vergangenen Jahr einiges getan und wir konnten unsere
Arbeit ausbauen und erweitern.“ Gemeinsam mit anderen
Suchthilfeträgern und der Clubcommission startete man im August 2018
das Projekt Sonar - Safer Nightlife Berlin, ein Konzept, das in der
Berliner Partyszene für Aufklärung sorgen möchte. Kooperativ
bieten
sie
Schulungen,
Beratung und Workshops zum Thema an und legen dabei Wert darauf,
„akzeptierend, wertschätzend und ohne erhobenen Zeigefinger“ zu
arbeiten. Mehr als 100 Infostände waren bisher seit Projektbeginn in
Berliner Clubs zu finden.
Ein
Ansatz, mit dem man nicht allein bleibt. Ende des vergangenen Jahres
wurde publik, dass Berlin das deutschlandweit erste
Drug-Checking-Projekt (→
https://www.zeit.de/wissen/2018-11/drug-checking-drogen-test-ecstasy-berlin
)
startet. Damit wird es Konsument*innen möglich, zum Beispiel
Ecstasy-Pillen anonym auf ihre genauen Inhaltsstoffe prüfen zu
lassen. Ein Konzept, dass in der Schweiz schon lange existiert. So
kann vor überdosierten oder gestreckten Substanzen gewarnt und davon
abgelassen werden.
All
das sind ziemlich wichtige Entwicklungen in der deutschen
Drogenpolitik. Denn Rauschmittel werden konsumiert, das ist Fakt. Und
wie schon Kant erkannte: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Nur wer sich
auskennt ist in der Lage, selbst über seinen Konsum zu entscheiden.
In diesem Sinne endet dieser Artikel mit:
10
REGELN ZUR RISIKOMINIMIERUNG BEIM SUBSTANZKONSUM Diese
dienen lediglich der Minimierung von Risiken. Risikofreien
Substanzkonsum gibt es nicht.
Set
& Setting bestimmen den Rausch. Konsumiere nur wenn du gut drauf
bist und du dich in deinem Umfeld wohl und sicher fühlst.
Vermeide
das Mischen verschiedener Rauschmittel.
Gedulde
dich mit dem Nachlegen. Jede Substanz braucht unterschiedlich lang um
ihre volle Wirkung zu entfalten.
Teste
deine Substanz vor jedem Konsum mit einer kleinen Menge an. Gerade
bei unbekannten Substanzen ist ein Allergietest unerlässlich.
Kaufe
nur bei Personen denen du vertraust.
Konsumiere
nie allein.
Achte
darauf, regelmäßig frische Luft zu tanken.
Teile
niemals deine Hilfsmittel (Ziehröhrchen, Spritze,...) Ziehe nur
durch sauberes Papier, niemals durch gerollte Geldscheine - diese
sind oft voller Krankheitserreger.
Achte
beim nasalen Konsum darauf, deine Substanz so klein wie möglich zu
zerhacken, um Verletzungen in der Nase zu vermeiden.
Führe
die genug Wasser zu. Trinke mehr als normalerweise.
Gib
dir Zeit dich auszuruhen. Vor Allem nach dem Rausch ist Ruhe und eine
nährstoffreiche Ernährung wichtig, damit sich dein Körper
regenerieren kann.
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